Eine neue Studie des IMK zeigt: Die beste Lösung, um die steigenden Belastungen der Rentenkassen in den nächsten Jahren aufzufangen, ist ein Mix aus Beitragserhöhungen und der Finanzierung aus Steuermitteln. Nennenswerte Auswirkungen auf Konjunktur und Beschäftigungsentwicklung sind nicht zu erwarten, weil sich positive und negative Effekte aufheben. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach sieht die Schwarzmalerei, würden die Beiträge erhöht, ins „Reich der Sagen“ verwiesen.
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Die Rentenbeitragssätze müssen steigen. Das erscheine „längerfristig unvermeidlich“, heißt es in einer neuen Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Der Grund: In den kommenden Jahren wechseln viele Beschäftigte aus den geburtenstarken Jahrgängen zwischen 1955 und 1969, die sogenannten Babyboomer, aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand. Nur mit steigenden Beitragssätzen kann ein stabiles Sicherungsniveau für alte Menschen künftig erreicht werden. Berechnungen der letzten Jahre unter anderem des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) haben gezeigt, dass es zu einem Anstieg der Beiträge kommen wird – auch wenn das Rentenniveau abgesenkt wird.
Aber schwächt das nicht die Kaufkraft der heute Erwerbstätigen? Schadet das nicht der Beschäftigungsentwicklung und der Konjunktur? Nein, schreiben die ForscherInnen vom IMK in der am Mittwoch vorgestellten Studie.
Das oft gehörte Argument ist, das mit höheren Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung die Arbeitskosten steigen, was für deutsche Unternehmen einen Nachteil im internationalen Wettbewerb darstellen würde - ein Bremsschuh für die Wirtschaftsentwicklung, die Folge ist steigende Erwerbslosigkeit.
Doch diese Erklärung ist zu kurz gesprungen, meint das IMK. Die AutorInnen der Studie haben berechnet, wie sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP) langfristig entwickelt, wenn die Beitragssätze um einen Prozentpunkt steigen. Ergebnis: Das BIP würde nominal sogar minimal um 0,3 Prozent höher ausfallen als ohne Erhöhung. Der Grund dafür ist, dass sich positive und negative Effekte gegenseitig aufheben. Einerseits steigen die Lohnstückkosten ein bisschen, andererseits würde von höheren Beiträgen eine so große Zahl von Rentnerinnen und Rentnern profitieren, dass sie – salopp gesagt – mehr Geld ausgeben können. Die Binnennachfrage würde also gestärkt. Und die Auswirkungen der höheren Beiträge auf die Erwerbstätigen wäre so gering, dass kein Einbruch im Konsum spürbar wäre. Bei einem Anstieg der Rentenbeiträge um mehr als ein Prozent steigen die gesamtwirtschaftlichen Effekte proportional noch stärker.
Würde dagegen das Rentensystem verstärkt aus Steuermitteln querfinanziert, wären die Effekte etwas andere, aber nicht schlechter. Einerseits hätten die Beschäftigten ein bisschen weniger Netto in der Tasche als bei einer Beitragserhöhung. Andererseits hätten aber die Arbeitgeber weniger Abgaben, weil sie im Gegensatz zu höheren Beitragen bei höheren Steuern in einer paritätischen Finanzierung des Rentensystems weniger zahlen müssten. Also heben sich auch an dieser Stelle positive und negative Effekte auf. Das Ergebnis bleibt das gleiche: Keine relevanten Auswirkungen auf Beschäftigung und Konjunktur. Der Vorteil einer steuerbasierten Erhöhung, so die ForscherInnen weiter, wäre dagegen, dass Besserverdienende stärker belastet würden- Überdies würden sich hier auch Beamte und Selbstständige an der Finanzierung beteiligen.
Die IMK-Studie kommt zum Fazit, dass ein Mix aus höhen Betragssätzen und Steuermitteln die beste Lösung wäre. Überdies müssten Beamte und Selbstständige schrittweise an ihre Beteiligung an der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente herangeführt werden.
Das „Lamento über verlorene Arbeitsplätze“ sei damit ins Reich der Sagen verwiesen, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. „ Die Beschäftigten bekämen außerdem eine bessere Alterssicherung – und zwar ohne privat den Löchern hinterhersparen zu müssen, die in den letzten Jahren durch eine verfehlte Politik in die gesetzliche Rente gerissen worden sind.“ Es werde an dieser Stelle einmal mehr deutlich, so Buntenbach weiter: „Die Antwort auf die Frage nach nach der Absicherung im Alter ist eine starke gesetzliche Rente und ein stabiles Rentenniveau.“
Bis 2025 gilt nach derzeitiger Rechtslage noch die „doppelte Haltelinie“: Rentenbeiträge sollen nicht über 20 Prozent steigen, das Rentenniveau nicht unter 80 Prozent sinken. Drohen diese Linien überschritten zu werden, werden Mittel aus dem Bundeshaushalt zugeschossen.
Die vom BMAS eingesetzte Rentenkommission arbeitet derzeit Szenarien aus, wie es mit der gesetzlichen Rente nach 2025 weitergehen kann. Bis 2020 wird ihr Bericht erwartet.
DGB-Stellungnahme zum "Rentenpaket I" - Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz): "Der Gesetzentwurf ist in seinen Grundzügen und in wesentlichen Teilen zu begrüßen. In einigen Details und insbesondere bei der Finanzierung muss jedoch nachgebessert werden."