Was bewegt dich, wenn du an die Rente denkst? Was erwartest du von der Bundesregierung und von deiner Gewerkschaft? Im Interview mit dem DGB steht IG Metall-Vorstand Dr. Hans Jürgen Urban Rede und Antwort.
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Ich kann gut nachvollziehen, wie es viellen Kolleginnen und Kollegen geht. Sie machen sich Gedanken darüber, wie der Übergang von der Erwerbsphase in die Rentenphase für sie ausfallen wird. Und das nicht nur, weil die Arbeit nicht länger den Lebensmittelpunkt darstellt, sondern auch wegen der Unsicherheit, wie es materiell weitergeht.
Natürlich: Die soziale Absicherung im Alter ist ein Kernversprechen des Sozialstaats. Doch bei immer mehr Menschen wachsen die Zweifel, ob dieses Versprechen auch eingehalten wird. Und das leider zu recht. Die Einschnitte durch die Rentenkürzungen der vergangenen Jahrzehnte haben das Rentenniveau gesenkt und die Regelaltersgrenze angehoben. Die Folgen: Lebensstandardsicherung im Alter rückt für viele in weite Ferne und bis in die arbeitnehmerische Mitte hinein drohen sozialer Abstieg oder gar Altersarmut.
Grundsätzlich entscheiden die in der Erwerbsphase gesammelten Anwartschaften über die Höhe der Rente. Und wer lange Armutslöhne hinnehmen musste, der oder die kann in der Rentenphase kein hohes Alterseinkommen erwarten. In der Erwerbsphase werden bereits die Weichen für die Rente gestellt. Also müssen die Arbeitgeber zum einen vernünftige Löhne zahlen und zum anderen muss das Renenniveau wieder rauf.
Die Rentenkommission der Bundesregierung arbeitet derzeit ihre Vorschläge für die Zukunft der gesetzlichen Rente nach 2025 aus. Die Diskussion darum, wer für die demographische Veränderung zahlt, ist wieder voll entbrannt. Dass Privatisierungen im Rentensystem geeignet sind, die Kosten zu dämpfen oder die Alterssicherung armutsfest zu machen, wie es vor allem Prof. Börsch-Supan propagiert, ist Ideologie pur. Die Schlüssel für ein solides Rentensystem liegen woanders.
Der Arbeitsmarkt entscheidet, welche Ansprüche über das Erwerbsleben hinweg erworben werden, die versicherungspflichtigen Einkommen entscheiden über die Beiträge und damit die Einnahmen der Renten-Kassen. Und schließlich entscheidet die Rentenpolitik, was die erworbenen Ansprüche wert sind. Das Rentenniveau muss wieder rauf, und das ist auch machbar!
IG Metall
Dr. Hans-Jürgen Urban ist seit November 2007 geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. Der promovierte Sozialwissenschaftler ist bei der IG Metall zuständig für die Themen Sozialpolitik sowie Arbeitsgestaltung und Qualifizierungspolitik.
Nein, wenn die Gesellschaft älter wird, immer mehr Menschen nicht mehr arbeiten und immer weniger Menschen mit einem aktiven Einkommen die Renten finanzieren müssen, hat das auch Folgen für die Finanzierung der Alterssicherung. Auch für das umlagefinanzierte Rentensystem. Die Gesellschaft muss die Kosten akzeptieren, und sie muss darüber reden, wie sie sie aufteilt. Wir Gewerkschaften wollen das Prinzip der solidarischen und paritätischen Finanzierung aufrechterhalten. Die Privatisierer wollen die einseitige Verteilung zulasten der Beschäftigten und zugunsten der Arbeitgeber. Das ist der Konflikt, um den es hier geht.
Ich bin nicht optimistisch, was diese Bundesregierung angeht. Ich respektiere das Streiten des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil für die Grundrente, auch wenn wir an anderen Punkten unterschiedlicher Meinung sind. Man sieht am Beispiel Grundrente aber auch, wo die Grenzen für sozialpolitischem Fortschritt in dieser kleinen Großen Koalition liegen.
Die gute Idee der Grundrente ist so von der Koalition kleingearbeitet und beschädigt worden. Ich glaube deshalb, dass wir den rentenpolitischen Kurswechsel, den wir dringend brauchen, von dieser Großen Koalition nicht erwarten können.
Wenn wieder die Privatisierung von Teilen der Alterssicherung auf der Agenda gesetzt wird, erwarte ich von uns gemeinsam, schneller und lauter als in der Vergangenheit unsere Stimme zu erheben und unmissverständlich deutlich zu machen, dass die Privatisierung der falsche Weg ist. Die Menschen dürfen nicht einen Augenblick daran zu zweifeln, dass die deutschen Gewerkschaften für die solidarische Verteilung der auf uns zukommenden Kosten eintreten.
DGB-Stellungnahme zum "Rentenpaket I" - Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz): "Der Gesetzentwurf ist in seinen Grundzügen und in wesentlichen Teilen zu begrüßen. In einigen Details und insbesondere bei der Finanzierung muss jedoch nachgebessert werden."