Eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt: Ein gewichtiger Grund für den sogenannten Gender Pay Gap ist Mutterschaft. Die Autorinnen empfehlen unter anderem verbesserte Elternzeitmodelle und einen Mentalitätswechsel. Damit die geringere Bezahlung am Ende des Erwerbslebens nicht in die Altersarmut führe, muss die Grundrente schnell eingeführt werden, sagt Markus Hofmann vom DGB.
DGB/dolgachov/123rf.com
Wenn Frauen Kinder bekommen, müssen sie in Deutschland mit erheblichen Lohneinbußen rechnen. Auch Gleitzeit kann das nicht verhindern, zeigt eine neue Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.
„Die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern ist ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zu Geschlechtergleichstellung“, heißt es in der Studie. Besonders längere Elternzeiten ziehen erhebliche Lohneinbußen für Frauen nach sich.
Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist der Verlust von Humankapital während einer Erwerbsunterbrechung aufgrund von Elternzeit. Humankapital sammeln Beschäftigte im Laufe ihrer Erwerbskarriere etwa durch Schulbildung, Berufserfahrung oder Fortbildungen am Arbeitsplatz. Dementsprechend steigen die Einkommen im Laufe der Erwerbskarriere entsprechend. „Kindbedingte Diskontinuitäten im Erwerbsverlauf führen zur Entwertung von angesammeltem Wissen und Fähigkeiten“, schreiben die Autorinnen Yvonne Lott vom WSI und Lorena Eulgem. Besonders betroffen davon seien Mütter mit hohem Bildungsniveau. So hätten höher gebildete Frauen mit Kindern nach zehn Jahren insgesamt 24 Prozent weniger verdient als ihre Kolleginnen ohne Kinder.
Ein weiterer Grund für kindbedingte Lohneinbußen sei die „negative Signalwirkung“, die mit Mutterschaft einhergeht: Frauen, die für die Kindeserziehung eine zeitlang aus dem Job gehen, werde eine „mangelnde Karriereorientierung“ unterstellt. Unabhängig von ihrem tatsächlichen Arbeitsverhalten schätzen Arbeitgeber die Produktivität von Müttern als niedriger ein und bezahlen sie schlechter als kinderlose Frauen.
In punkto Geschlechtergleichheit hinke Deutschland in vielerlei Hinsicht hinterher, so Lott und Eulgem. Der Gender Pay Gap sei mit 21 Prozent höher als in den meisten anderen Industriestaaten. Noch düsterer sieht es aus, wenn Nachwuchs im Spiel ist: Studien zufolge verdienen Mütter von zwei Kindern bis zum Alter von 45 Jahren bis zu 58 Prozent weniger als kinderlose Frauen.
Ein dritter gewichtiger Grund ist, dass Frauen nach der Elternzeit oftmals auf eine Stelle mit familienfreundlicheren Arbeitszeitmodellen wechseln. Aber Teilzeitstellen seien in der Regel Stellen mit weniger anspruchsvollen Tätigkeiten und ohne Karriereperspektiven. Zusätzlich zum Einkommensverlust durch die Stundenreduzierung, werden Teilzeitstellen oft als geringwertiger angesehen, was auch zu niedrigeren Einkommen führen kann.
Flexible Arbeitszeiten könnten dabei helfen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, so Lott und Eulgem. Insofern sollten sie eigentlich dazu beitragen, die Lohneinbußen von Frauen mit Kindern zu reduzieren. Tatsächlich hätten US-amerikanische Studien gezeigt, dass erwerbstätige Mütter von Gleitzeit dort finanziell profitieren.
Um zu überprüfen, ob ein solcher Effekt auch in Deutschland nachweisbar ist, haben die Wissenschaftlerinnen Daten des Sozio-oekonomischen Panels für Frauen, die in Elternzeit waren und vorher oder nachher Gleitzeit hatten, ausgewertet. Ihre Berechnungen bestätigen zunächst, dass Mutterschaft mit deutlichen Verdienstnachteilen verbunden ist: Die beobachteten Frauen, die nach einer Elternzeit von bis zu einem Jahr in den Beruf zurückkehren, verdienen im Schnitt 6,5 Prozent weniger pro Stunde. Wer mehr als ein Jahr pausiert, bekommt danach pro Stunde fast zehn Prozent weniger bezahlt.
Gleitzeit hat der Analyse zufolge generell einen positiven Effekt auf die Löhne von Frauen: Wenn sie von festen Arbeitszeiten zu Gleitzeit wechseln, erhöht sich das Gehalt weiblicher Beschäftigter um durchschnittlich 4,5 Prozent. Das Vorzeichen ändert sich jedoch, wenn es um Mütter geht: Frauen, die eine längere Elternzeit hinter sich haben, verdienen 16 Prozent weniger, wenn sie in Gleitzeit wechseln.
Anders als in den USA scheine Gleitzeit in Deutschland das Stigma von Mutterschaft noch zu verstärken, urteilen die Autorinnen.
Sie empfehlen unter anderem einen weiteren Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung Reformen bei der Elternzeit, im Steuerrecht – und einen Mentalitätswechsel. Die partnerschaftliche Arbeitsteilung müsse gefördert und damit die stark ausgeprägten Vorurteile gegenüber erwerbstätigen Müttern abgebaut werden. Um das zu erreichen könnten unter anderem die Partnermonate bei der Elternzeit zu verlängert und ein Recht auf Familienarbeitszeit eingeführt werden, bei der beide Partner ihre Arbeitszeit reduzieren. Dass progressive soziale Normen im Zusammenspiel mit einem gut ausgebauten Betreuungsangebot viel bewirken können, zeigt nach Ansicht von Lott und Eulgem das Beispiel Schweden: Hier verdienen Mütter ab dem 40. Lebensjahr im Schnitt sogar mehr als kinderlose Frauen.
„Das Ergebnis der mutterschaftsbedingten Lohneinbußen ist oft, dass Frauen in der Teilzeitfalle steckenbleiben“, sagt Markus Hofmann, Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim DGB Bundesvorstand. Es seien diese Frauen, die nach jahrzehntelanger Erwerbsarbeit zu niedrigen Einkommen am Ende eine Rente erhalten, die zum Leben nicht reicht. „Neben den Maßnahmen, die während des Erwerbslebens getroffen werden können, fordern wir deshalb die schnelle Einführung der Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Das Modell dafür hat das Bundesarbeitsministerium vorgelegt. Jetzt muss es schnell umgesetzt werden“, so Hofmann weiter.
DGB-Stellungnahme zum "Rentenpaket I" - Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz): "Der Gesetzentwurf ist in seinen Grundzügen und in wesentlichen Teilen zu begrüßen. In einigen Details und insbesondere bei der Finanzierung muss jedoch nachgebessert werden."