Schichtarbeit macht krank, viele Beschäftigte schaffen es nicht bis zum gesetzlichen Renteneintritt - keine bahnrechenden Neuigkeiten. Wie aber sieht das konkret aus? Wie kommen Beschäftigte über die Runden, die gesundheitlich bedingt früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden? Der DGB hatte zum Zukunftsdialog zur Rente nach Leipzig eingeladen.
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Im Rahmen der Anfang April gestarteten Zukunftsdialoge vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften hatte der DGB-Bezirk Leipzig-Nordsachsen eingeladen. Betriebsräte und Gewerkschaftssekretäre waren der Einladung gefolgt und diskutierten am 3. April in Leipzig mit Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
„Wie kann eine Rentenpolitik aussehen, die nicht am Ende in den sozialen Absturz führt?“, ist für Annelie Buntenbach die zentrale Frage in der herrschenden Rentendiskussion. Sie ist für die Gewerkschaften und Sozialverbände Mitglied der Rentenkommission, die bis 2020 Vorschläge zur Zukunft der gesetzlichen Rente nach 2025 vorlegen will.
„Wir können in Gremien wie der Rentenkommission viel diskutieren und beschliessen, doch die Realität in den Betrieben vor Ort sieht häufig anders aus“, so Buntenbach. Mit Diskussionen wie jetzt in Leipzig bekomme sie wichtige Eindrücke und Argumente für ihre Arbeit in der Kommission.
Viele Beschäftigte arbeiten sich über Jahrzehnte körperlich kaputt und schaffen es nicht bis zum Renteneintrittsalter. Abschläge bei der gesetzlichen Rente sind die Folge. Es bleibt nach dem Ruhestand oft nur der Gang zum Sozialamt, weil die Rente nicht reicht. Die Rentenpolitik ist das eine. Doch es geht auch um das, was vor der Rente kommt: die Gestaltung von guter Arbeit.
„Die Kolleginnen und Kollegen kämpfen oft ums nackte Überleben“, sagte ein Betriebsrat aus einem Leipziger Cateringunternehmen. Durch die regelmäßige Neuvergabe von Aufträgen stünden die Beschäftigten immer wieder vor der Situation, dass sie sich auf neue Bedingungen und neue Strukturen einstellen müssten. Das falle besonders älteren Kolleginnen und Kollegen nicht immer leicht.
Sie werde von viele älteren Kolleginnen und Kollegen gefragt, wie sie aus der Schichtarbeit aussteigen können, besonders aus der Nachtschicht, sagte eine Betriebsrätin aus einem Logistikunternehmen. Der Anteil an Schichtarbeit hat in den letzten 20 Jahren hierzulande stark zugenommen. „Bei uns gibt es kaum Einen ohne gesundheitliche Probleme.“ Doch oft können Betriebsräte wenig tun, wenn der Arbeitgeber zu seinem Angestellten sagt: „Du hast einen 40-Stunden-Vertrag im Dreischichtbetrieb unterschrieben. Basta!“
Neue Arbeitsmittel, die im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung eingeführt werden, bringen nicht selten für ältere Beschäftigte mehr Stress, sagte ein Bahn-Betriebsrat. Dazu komme eine chronische Personalknappheit. Er werde in Gesprächen oft mit einer einfachen Frage konfrontiert: „Wann komme ich hier denn raus?“
Die Betriebsratsvorsitzende aus dem Leipziger Cateringunternehmen ergänzte: „Wir haben einen Tarifvertrag mit einem Einstiegsgehalt von unter zehn Euro. Dazu sind 50 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit. Die Rente mit 63 haben nach der Einführung viele genutzt, viele aber auch nicht, weil sie dann nicht mit ihrer Rente klargekommen wären.“
Das Thema Rente bewegt die Gemüter – nicht nur, aber besonders in Deutschland. Die OECD hatte erst im März die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage in ihren 36 Mitgliedsstaaten veröffentlicht. Kurzfristig gesehen sind Krankheit und Behinderung die größte Sorge der Deutschen, auf lange Sicht zählt mit 76 Prozent die Rente zu den drei größten Sorgen der zwischen 18- und 70-Jährigen.
„Die gesetzliche Rente ist nach wie vor die zentrale Säule in der Alterssicherung. Die Menschen können die Lücken , die mit den Rentenreformen seit 2001 gerissen wurden, nicht mit privater Vorsorge auffüllen“, sagte Annelie Buntenbach. „Wir brauchen hier deutliche Verbesserungen.“ Neben einer guten Rentenpolitik müsse es gesetzliche Regelungen geben, etwa wenn Menschen aus der Nachtschicht aussteigen wollen oder Tariftreueregelungen beispielsweise bei der öffentlichen Auftragsvergabe.
Die Veranstaltungen im Rahmen des Zukunftsdialoges finden bundesweit zu Themen wie Rente, steigende Mieten, Arbeitsbedingungen oder Unterschieden zwischen Arm und Reich statt. Mehr Informationen unter www.redenwirueber.de
DGB-Stellungnahme zum "Rentenpaket I" - Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz): "Der Gesetzentwurf ist in seinen Grundzügen und in wesentlichen Teilen zu begrüßen. In einigen Details und insbesondere bei der Finanzierung muss jedoch nachgebessert werden."