Nach monatelangem Streit hat sich die Große Koalition endlich auf die Einführung der Grundrente geeinigt und damit konkrete Verbesserungen für bis zu 1,5 Millionen Menschen auf den Weg gebracht. Alles, was der DGB gefordert hatte und was im Ursprungsvorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stand, konnte nicht umgesetzt werden. Doch es ist mehr als der Koalitionsvertrag vorsah.
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„Auf die von der Union geforderte Einkommensprüfung hätte man getrost verzichten können“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in einer ersten Stellungnahme am Wochenende. SPD und Union haben sich nach monatelangem Gezerre endlich auf ein Modell zur Einführung einer Grundrente geeinigt. Konkret: Rund 1,5 Millionen Menschen, die jahrzehntelang aus einem niedrigen Einkommen in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, bleibt der Gang zum Sozialamt regelmäßig erspart. Ihre gesetzliche Rente wird, wenn sie am Ende ihres Erwerbslebens 35 oder mehr Beitragsjahre auf dem Buckel haben, aufgestockt. Vier von fünf Berechtigten sind weiblich. Besonders Ostdeutsche würden profitieren, heißt es im Koalitionsbeschluss, weil sie oft lange Jahre gearbeitet haben, aber zu niedrigen Löhnen.
Für Buntenbach zeigt die Entscheidung, dass es der Großen Koalition trotz großer Unterschiede ernst damit ist, die Lebensleistung der Menschen anzuerkennen, die zwar lange gearbeitet, aber auch lange wenig verdient haben.
Die meisten müssen nicht mehr zum Sozialamt
Die Großkoalitionäre haben sich mit dem Beschluss zur Grundrente auf mehrere sozialpolitische Maßnahmen geeinigt. Mit der Einführung eines neuen Freibetrages werden bis zu 212 Euro, die Rentnerinnen und Rentner aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Dazu kommen ein Freibetrag beim Wohngeld, der im Gesamtvolumen 80 Millionen Euro betragen wird sowie die Anhebung des staatlichen Förderbetrages für betrieblichen Altersvorsorge von höchstens 144 Euro auf höchsten 288 Euro. Außerdem sollen ab 1. Januar 2020 Betriebsrenten nicht voll beitragspflichtig in der Krankenversicherung sein. Dazu wird von der Betriebsrente ein Freibetrag von aktuell über 155 Euro abgezogen und nur der Rest verbeitragt. Damit wird der Beitrag für alle mit unter 310 Euro Betriebsrente mehr als halbiert.
Doch das Kernelement dieses Maßnahmenpaketes ist die Grundrente, die zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll – egal, ob jemand neu in den Ruhestand geht oder schon lange Rentnerinnen oder Rentner ist. Konkret: Wer mindestens 35 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt hat und im Schnitt mindestens 30 Prozent aber unter 80 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient hat, erhält mit der Grundrente einen Zuschlag, damit er oder sie nicht Grundsicherung beantragen muss. Überdies soll es eine Gleitzone geben, mit der Menschen die weniger als 35 Beitragsjahre haben auch Grundrente beziehen können.
„Die vorgesehene Aufwertung der eigenen Rente durch die Grundrente und der höhere Freibetrag beim Wohngeld werden in den allermeisten Fällen den Gang zum Sozialamt überflüssig machen", so Buntenbach weiter. "Damit wird das Solidarprinzip unter Beachtung des Äquivalenzprinzips in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich gestärkt. Aus Sicht des DGB ein großer Erfolg und ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.“
Grundsätzlich ein Erfolg – mit einigen Einschränkungen
Doch der Beschluss enthält auch Regelungen, die der DGB kritisch sieht. Beispielsweise soll der Betrag zur Arbeitslosenversicherung auf 2,4 Prozent bis Ende 2022 abgesenkt werden. Derzeit liegt der Beitrag bei 2,5 Prozent und sollte laut Koalitionsvertrag dauerhaft ab 2023 bei 2,6 Prozent des Einkommens liegen. „Völlig unsinnig“ nennt Annelie Buntenbach die Absenkung. "Gerade jetzt, wo sich eine konjunkturelle Eintrübung abzeichnet, die Zahl der Arbeitslosen im Bereich des Sozialgesetzbuch III zunimmt und die Bundesagentur für Arbeit neue Aufgaben bei der Weiterbildung und Absicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern übernehmen muss, ist diese Beitragssenkung absolut kontraproduktiv.“
Und auf die der Grundrente vorgeschaltete Einkommensprüfung „hätte man getrost verzichten können“, sagte die Gewerkschafterin weiter. An diesem Punkt hatte es den härtesten Streit gegeben. Während die SPD, Gewerkschaften und Sozialverbände die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bedürftigkeitsprüfung abgelehnt haben, hatte die CDU/CSU lange darauf beharrt. Die nun als Kompromiss beschlossene Überprüfung der Einkommen soll über einen Datenaustausch von Rentenversicherung und Finanzämtern komplett automatisch erfolgen.
Der Einkommensfreibetrag bis zu dem eine Grundrente ohne Kürzung bezogen werden kann, liegt bei 1250 Euro für Singles und 1950 Euro für Paare.