Deutscher Gewerkschaftsbund

14.11.2019
Koalitionsparteien einigen sich auf Grundrente

Vier von fünf Berechtigten sind Frauen

Keine Vermögensprüfung, dafür eine Einkommensprüfung

von Jörg Meyer

Nach monatelangem Streit hat sich die Große Koalition endlich auf die Einführung der Grundrente geeinigt und damit konkrete Verbesserungen für bis zu 1,5 Millionen Menschen auf den Weg gebracht. Alles, was der DGB gefordert hatte und was im Ursprungsvorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stand, konnte nicht umgesetzt werden. Doch es ist mehr als der Koalitionsvertrag vorsah.

Portrait Seniorin in der Natur

DGB/Maria Dubova/123rf.com

„Auf die von der Union geforderte Einkommensprüfung hätte man getrost verzichten können“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach in einer ersten Stellungnahme am Wochenende. SPD und Union haben sich nach monatelangem Gezerre endlich auf ein Modell zur Einführung einer Grundrente geeinigt. Konkret: Rund 1,5 Millionen Menschen, die jahrzehntelang aus einem niedrigen Einkommen in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt haben, bleibt der Gang zum Sozialamt regelmäßig erspart. Ihre gesetzliche Rente wird, wenn sie am Ende ihres Erwerbslebens 35 oder mehr Beitragsjahre auf dem Buckel haben, aufgestockt. Vier von fünf Berechtigten sind weiblich. Besonders Ostdeutsche würden profitieren, heißt es im Koalitionsbeschluss, weil sie oft lange Jahre gearbeitet haben, aber zu niedrigen Löhnen.

Für Buntenbach zeigt die Entscheidung, dass es der Großen Koalition trotz großer Unterschiede ernst damit ist, die Lebensleistung der Menschen anzuerkennen, die zwar lange gearbeitet, aber auch lange wenig verdient haben.

Die meisten müssen nicht mehr zum Sozialamt

Die Großkoalitionäre haben sich mit dem Beschluss zur Grundrente auf mehrere sozialpolitische Maßnahmen geeinigt. Mit der Einführung eines neuen Freibetrages werden bis zu 212 Euro, die Rentnerinnen und Rentner aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten, nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Dazu kommen ein Freibetrag beim Wohngeld, der im Gesamtvolumen 80 Millionen Euro betragen wird sowie die Anhebung des staatlichen Förderbetrages für betrieblichen Altersvorsorge von höchstens 144 Euro auf höchsten 288 Euro. Außerdem sollen ab 1. Januar 2020 Betriebsrenten nicht voll beitragspflichtig in der Krankenversicherung sein. Dazu wird von der Betriebsrente ein Freibetrag von aktuell über 155 Euro abgezogen und nur der Rest verbeitragt. Damit wird der Beitrag für alle mit unter 310 Euro Betriebsrente mehr als halbiert.

Doch das Kernelement dieses Maßnahmenpaketes ist die Grundrente, die zum 1. Januar 2021 in Kraft treten soll – egal, ob jemand neu in den Ruhestand geht oder schon lange Rentnerinnen oder Rentner ist. Konkret: Wer mindestens 35 Jahre Beiträge in die Rentenversicherung eingezahlt hat und im Schnitt mindestens 30 Prozent aber unter 80 Prozent des Durchschnittseinkommens verdient hat, erhält mit der Grundrente einen Zuschlag, damit er oder sie nicht Grundsicherung beantragen muss. Überdies soll es eine Gleitzone geben, mit der Menschen die weniger als 35 Beitragsjahre haben auch Grundrente beziehen können.

„Die vorgesehene Aufwertung der eigenen Rente durch die Grundrente und der höhere Freibetrag beim Wohngeld werden in den allermeisten Fällen den Gang zum Sozialamt überflüssig machen", so Buntenbach weiter. "Damit wird das Solidarprinzip unter Beachtung des Äquivalenzprinzips in der gesetzlichen Rentenversicherung deutlich gestärkt. Aus Sicht des DGB ein großer Erfolg und ein Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Grundsätzlich ein Erfolg – mit einigen Einschränkungen

Doch der Beschluss enthält auch Regelungen, die der DGB kritisch sieht. Beispielsweise soll der Betrag zur Arbeitslosenversicherung auf 2,4 Prozent bis Ende 2022 abgesenkt werden. Derzeit liegt der Beitrag bei 2,5 Prozent und sollte laut Koalitionsvertrag dauerhaft ab 2023 bei 2,6 Prozent des Einkommens liegen. „Völlig unsinnig“ nennt Annelie Buntenbach die Absenkung. "Gerade jetzt, wo sich eine konjunkturelle Eintrübung abzeichnet, die Zahl der Arbeitslosen im Bereich des Sozialgesetzbuch III zunimmt und die Bundesagentur für Arbeit neue Aufgaben bei der Weiterbildung und Absicherung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern übernehmen muss, ist diese Beitragssenkung absolut kontraproduktiv.“

Und auf die der Grundrente vorgeschaltete Einkommensprüfung „hätte man getrost verzichten können“, sagte die Gewerkschafterin weiter. An diesem Punkt hatte es den härtesten Streit gegeben. Während die SPD, Gewerkschaften und Sozialverbände die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Bedürftigkeitsprüfung abgelehnt haben, hatte die CDU/CSU lange darauf beharrt. Die nun als Kompromiss beschlossene Überprüfung der Einkommen soll über einen Datenaustausch von Rentenversicherung und Finanzämtern komplett automatisch erfolgen.

Der Einkommensfreibetrag bis zu dem eine Grundrente ohne Kürzung bezogen werden kann, liegt bei 1250 Euro für Singles und 1950 Euro für Paare.


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Warum wir jetzt die Grundrente brauchen


Drei Fragen zur Grundrente an Annelie Buntenbach

Der Bundesarbeitsminister plant die Einführung einer Grundrente für Menschen mit niedrigem Einkommen. Was genau die Grundrente ist und warum sie richtig und notwendig ist, beantwortet DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Meldungen zur Grundrente

Vier von fünf Be­rech­tig­ten sind Frau­en
Portrait Seniorin in der Natur
DGB/Maria Dubova/123rf.com
Nach monatelangem Streit hat sich die Große Koalition endlich auf die Einführung der Grundrente geeinigt und damit konkrete Verbesserungen für bis zu 1,5 Millionen Menschen auf den Weg gebracht. Alles, was der DGB gefordert hatte und was im Ursprungsvorschlag von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) stand, konnte nicht umgesetzt werden. Doch es ist mehr als der Koalitionsvertrag vorsah.
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DGB-Vor­stand An­ne­lie Bun­ten­bach zur Grund­ren­ten-Ei­ni­gung
Portrait Annelie Buntenbach
DGB/Joanna Kosowska
Die Große Koalition hat sich nach langen Verhandlungen auf eine Grundrente geeinigt. Die Koalition erkenne damit die Lebensleistung von nahezu 1,5 Millionen Menschen an, "die jahrzehntelang aus niedrigem Einkommen Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung gezahlt haben", sagt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.
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Mil­lio­nen hät­ten An­spruch – Ge­werk­schaf­ten for­dern Er­geb­nis­se in Grund­ren­ten­de­bat­te
Großeltern mit jugendlichem Enkelkind
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Von der Grundrente nach 35 Erwerbsjahren würden rund 3,7 Millionen Menschen profitieren. Zu dem Ergebnis kommt eine neue Studie im Auftrag des DGB. Die von Arbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagene Grundrente könnte die Armut um drei Prozent senken – als Instrument zur Armutsvermeidung sei sie aber nur bedingt geeignet, heißt es darin: Zwei Drittel der Rentenbeziehenden haben keine 35 Jahre Erwerbsleben auf dem Buckel.
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Grund­ren­ten-De­bat­te: "Wir kön­nen die­se 90 Pro­zent doch nicht zum So­zi­al­amt schi­cken"
Annelie Buntenbach, DGB-Vorstandsmitglied
DGB/Simone M. Neumann
90 Prozent der Menschen, die eine Grundrente erhalten würden, brauchen diesen Zuschlag zur Rente. Das zeigt eine Studie im Auftrag des DGB. Wäre für die Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung erforderlich, müssten diese 90 Prozent den bürokratischen Weg zum Sozialamt antreten. Das wäre das Gegenteil von Respekt vor ihrer Lebensleistung, sagt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach.
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Warum wir JETZT die Grund­ren­te brau­chen
Logo der Petition Grundrente Jetzt!
DGB
Die Grundrenten-Debatte nimmt Fahrt auf. Bundesarbeitsminister Heil und Bundesfinanzminister Scholz haben ein Konzept zur Finanzierung vorgelegt, das aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes in die richtige Richtung geht. DGB-Vorstand Annelie Buntenbach erklärt im Video, warum wir jetzt die Grundrente brauchen - ohne Bedürftigkeitsprüfung.
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Grund­ren­te: Uni­on soll­te Blo­cka­de­hal­tung auf­ge­ben
Älterer Mann, ältere Frau, jüngerer Mann, jüngere Frau lehnen an Holz-Geländer und blicken lächelnd in die Ferne
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Nach dem SPD-Vorschlag zur Grundrente erwartet der DGB jetzt eine schnelle Einigung der Koalitionspartner. "Die Einführung der Grundrente – und zwar ohne Bedürftigkeitsprüfung – wäre ein echter Beitrag zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
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Fi­nan­zie­rung der Grund­ren­te: "Die rich­ti­ge Rich­tung"
DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann
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Bundesarbeitsminister Heil und Bundesfinanzminister Scholz haben ein Konzept zur Finanzierung der geplanten Grundrente vorgelegt. "Das Finanzierungskonzept geht in die richtige Richtung", sagt der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann. "Die Abschaffung der Mövenpick-Steuer und die Einführung der Finanztransaktionssteuer fordern die Gewerkschaften bereits seit langem."
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Le­bens­leis­tung ver­dient Re­spekt – Grund­ren­te jetz­t!
lachendes älteres Pärchen stehen sich umarmend unter einem Baum
DGB/Wavebreak Media Ltd/123rf.com
Das Netzwerk Gerechte Rente begrüßt den Vorschlag von Bundesminister Heil für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. „Von der Rente muss man auch bei geringem Lohn, Teilzeit oder Arbeitslosigkeit in Würde leben können“, sagt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Die Koalition muss den Weg für die Grundrente jetzt schnell freimachen.
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Grund­ren­te: Ein gu­ter Vor­schlag für ein gu­tes Stück ge­sell­schaft­li­che Ge­rech­tig­keit
Männlcihe Hand mit mehreren Stapeln Münzen
DGB/Papan Saenkutrueang/123rf.com
Der Bundesarbeitsminister hat einen Vorschlag zur Grundrente vorgelegt. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften fordern nun die schnelle Umsetzung des Modells ohne Änderungen. Kritiker sehen durch diese Grundrente ohne die Überprüfung der persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse neue gesellschaftliche Ungerechtigkeiten drohen. Doch ihre Argumente sind bei genauem Hinsehen nicht haltbar.
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Mehr­heit in Um­fra­ge für Grund­ren­te
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Mit 61 Prozent spricht sich eine deutliche Mehrheit der Befragten im aktuellen „ZDF-Politbarometer“ für die Einführung einer Grundrente aus.
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DGB un­ter­stützt Grund­ren­ten­kon­zept von Ar­beits­mi­nis­ter Heil
Portrait ältere Frau
DGB/Petr Kurgan/123rf.com
Der DGB unterstützt das Konzept für eine Grundrente aus dem Bundesarbeitsministerium. Danach sollen Menschen, die 35 und mehr Jahre zu einem Niedriglohn gearbeitet haben, eine Erhöhung der Rente erhalten. Wer ein Leben lang gearbeitet habe, soll im Alter auch nicht zum Sozialamt müssen, sagt DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
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DGB for­dert Auf­wer­tung von nied­ri­gen Ren­ten
Nahaufnahme Gesichter alte und junge Frau
DGB/Dunca Daniel/123rf.com
"Eine Grundrente, so wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wird, wäre mit viel bürokratischem Aufwand verbunden. Das wäre viel zu kurz gesprungen, wenn wir drohende Altersarmut wirklich wirksam bekämpfen wollen", sagt DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Der DGB macht stattdessen einen effektiveren Vorschlag.
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