Die Mutter hat ihre Tochter und Enkelin wieder zum traditionellen Pfingstessen eingeladen. Doch es könnte dieses Jahr das letzte Mal sein. Denn die Mutter geht in Rente und weiß nicht, ob sie im nächsten Jahr wieder zum großen Familienessen einladen kann. Obwohl sie ihr ganzes Leben gearbeitet hat, ist sie von Altersarmut bedroht. Eine Grundrente würde sie davor schützen.
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Handelnde Personen: Mutter(M.) 65 Jahre, Tochter (T.)38 Jahre, Enkelin (E.)16 Jahre
Das opulente Mahl ist bereits beim Hauptgang angekommen.
M: Haut rein und genießt unser traditionelles Mahl. Vielleicht ist es das letzte Mal.
Allgemeines Erstaunen
M.: Naja, ich gehe nächstes Jahr in Rente, und dann bezweifele ich, dass ich mir das so noch leisten kann.
T: Aber wieso? Du hast doch dein ganzes Leben gearbeitet und warst nur kurze Zeit in Teilzeit – da hast Du doch eine gute Rente!
E.: Außerdem warst Du immer im öffentlichen Dienst – und da hast Du doch auch ne Betriebsrente – hast Du mir doch selbst letztens erklärt. Du bist super abgesichert!
M.: Ja, das habe ich auch gedacht – aber die Wirklichkeit sieht nach Aussage der Renten-versicherung leider anders aus. Von meiner Rente werden im nächsten Jahr 80 Prozent versteuert. Dazu kommen noch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.
T.: Aber Du hast doch noch die „zweite Säule“ – deine Betriebsrente - von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL)? Da muss doch eine beträchtliche Summe zusammenkommen. Ich mag gar nicht daran denken, wie es mir einmal geht mit meinem langen Studium, das nicht mehr angerechnet wird. Den Studienkredit muss ich auch noch abzahlen, obwohl ich mit meinem Teilzeitjob sowieso nicht weiß, wie ich unseren Lebensunterhalt finanzieren soll. Meine Bewerbung auf eine volle Stelle ist mal wieder abgelehnt worden.
M.: Das mit der VBL hatte ich mir auch einmal anders vorgestellt. Meine Mutter hat sie auch bekommen, aber da konnte man mit beiden Renten sogar mehr Geld in der Tasche haben als vorher – gerecht war das auch nicht und ist schon lange vorbei. Aber jetzt zahle ich neben der Steuer auch noch die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteile für die Kranken- und Pflegeversicherung – Doppelverbeitragung nennt sich das und ist total ungerecht!
Hagen Immel
Elke Gündner-Ede ist seit 1976 Mitglied der GdP. Im Geschäftsführenden Bundesvorstand, dem sie seit 2006 angehört, ist sie zuständig für Gleichstellungspolitik, Sozialpolitik und Sozialversicherungsrecht sowie für den Bundesfachausschuss Polizeiverwaltung. Die 62-Jährige ist zudem seit 2008 stellvertetende Vorsitzende des Polizeihauptpersonalrates im niedersächsischen Innenministerium.
E.: Zumindest hast Du doch deine Eigentumswohnung – da brauchst Du keine Miete zu bezahlen und hast eine weitere Absicherung.
M.: Ja, der Traum ist leider auch vorbei. Ihr erinnert euch doch an die Sanierung vor drei Jahren. Da musste ich eine Hypothek aufnehmen, an der zahle ich noch Jahre. Ich weiß gar nicht, ob ich mir das in der Rente überhaupt leisten kann.
T.: Ach sieh‘ doch nicht so schwarz, du bekommst doch durch die gerade verabschiedete Verbesserung der Mütterrente einen halben Entgeltpunkt dazu. Das macht doch sicher auch etwas aus.
M.: …aktuell stolze 16 Euro und 1 Cent monatlich, da ich in Westdeutschland arbeite. Sonst wären es noch 67 Cent weniger. Außerdem hätte ich mit deiner Geburt rententechnisch gesehen noch bis 1992 warten sollen, dann hätte ich nämlich schon seit Jahren Anspruch auf einen ganzen Entgeltpunkt mehr und damit insgesamt auf 96,09€ monatlich. Ich frage mich schon die ganze Zeit, warum deine Geburt und Erziehung weniger wert ist, als die eines Kindes ab 1992?
E.: Wenn ich das alles so höre, muss ich mir doch überlegen, ob ich wirklich die Oberstufe noch fertig mache. Vielleicht sollte ich mir doch gleich einen Ausbildungsplatz suchen und für die Rente arbeiten – aber wer garantiert mir denn, dass es in circa 55 Jahren überhaupt noch eine Rentenkasse gibt?
M.: Leider kann niemand in die Glaskugel schauen…Und überhaupt früher war genug Geld in der Rentenkasse, so dass sich der Staat öfter mal aus dem Topf bedient hat. Heute ist es eher umgekehrt – obwohl Mütterrente und ähnliches wären eigentlich aus dem Steuersäckel zu bezahlen.
T.: Die diskutieren ja im Augenblick über eine Grundrente, damit Leute wie ich, die jahrelang Praktika praktisch ohne Geld absolviert haben und jetzt in prekären Arbeitsverhältnissen stecken, überhaupt über die Runden kommen.
M.: Diese Diskussion ist sinnvoll – vor allem wenn ich daran denke, dass durch die fortschreitende Digitalisierung auch immer mehr Arbeitsplätze und Berufe von der Bildfläche verschwinden. Und deshalb liebe E. rate ich dir: Setze auf Bildung und schau dann, welchen Beruf du ergreifst.
Das Dessert ist verspeist, und die Damen brechen zur ihrer obligatorischen kleinen Pfingstwanderung auf.
Dieser Text ist Teil unserer Kolumne zum Theme Rente. Alle 14 Tage finden Sie hier einen neuen Beitrag - von Persönlichkeiten aus Politik, Kultur, Verbänden und Gewerkschaften.
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DGB-Stellungnahme zum "Rentenpaket I" - Entwurf eines Gesetzes über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz): "Der Gesetzentwurf ist in seinen Grundzügen und in wesentlichen Teilen zu begrüßen. In einigen Details und insbesondere bei der Finanzierung muss jedoch nachgebessert werden."